Frankfurter Polemik

Hartnäckiger Widerspruch und rechthaberisches Beharren gehören seit 1200 Jahren zu Frankfurt wie Handkäse und Gesottenes vom Schwein. Diese unnachgiebig streitlustige Haltung ist Ausdruck einer regionale Eigenheit, nur die eigene Meinung gelten zu lassen: Der Gedanke, den Standpunkt eines anderen auch nur in Erwägung zu ziehen, gilt als zutiefst unhessisch und kommt daher nur in seltenen Ausnahmefällen zur Anwendung. Doch während man es im restlichen Hessen gerne dabei bewenden lässt – bevor man sich aufregt, ist es einem lieber egal – pflegt man in Frankfurt zudem eine veritable Streitkultur, die ihren Ausdruck vorzugshalber in ausgiebigem Ramentern, wüsten Beschimpfungen und unhaltbaren Beschuldigungen findet.

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Krawall ums Batzebier

Vor 150 Jahren kämpfte Frankfurt verlust- aber erfolgreich für preiswertes Bier

Es gibt Geschichten, die man gerne als lustigen lokalhistorischen Schwank erzählen würde – bis man merkt, dass alles auf ein tragisches Ende hinausläuft. In diesem Fall beginnt die Geschichte bereits mit einer fatalen Entscheidung. Im Frühjahr 1873 beschlossen die Frankfurter Brauereien den Bierpreis anzuheben. Bekam man bisher den halben Liter für vier Kreuzer, also einen Batzen, so sollte man ab dem ersten April einen halben Kreuzer mehr auf den Tresen legen. Dazu kam, dass es keine Halb-Kreuzer-Münzen gab. Also musste man fünf Kreuzer zahlen und bekam dann eine Halb-Kreuzer-Wertmarke, die man beim nächsten Schoppen wieder einlösen konnte. Allerdings nur bei demselben Wirt. In der Augen der Biertrinkenden in Frankfurt war das eine bodenlose Unverschämtheit, zumal Bier damals mehr war als nur ein probates Mittel der Freizeitgestaltung. Sauberes Trinkwasser war rar, und Bier für große Teile der Bevölkerung ein Grundnahrungsmittel. Außerdem konnte sich niemand daran erinnern, dass Bier jemals mehr als einen Batzen gekostet hätte. Die Empörung war also groß, insbesondere nachdem letzte Hoffnungen sich zerschlagen hatten, das sich alles nur um einen grausamen Aprilscherz handeln könnte.

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Herr Goethe flieht aus Frankfurt

Goethe und Frankfurt ist ein heikles Thema, vor allem für den Frankfurter. Natürlich ist der Dichterfürst der berühmteste Sohn der selbsternannten Metropole am Main, das mag keiner bezweifeln – aber hätte er nicht in Frankfurt bleiben und dort berühmt werden können? Anstatt nach Weimar zu gehen – ausgerechnet nach Weimar, dem feuchten Nest an der Ilm! – und dann auch noch zeitlebens zu bleiben und dort sogar zu versterben. Wenigstens hätte er seine Heimatstadt am Main ab und an besuchen können (und seine Mutter nebenbei bemerkt auch), damit dort zumindest ein wenig vom Glanz des Genies hängenbliebe, und sei es nur um den Fremdenverkehr zu befördern. Da sind die Frankfurter*innen dann bei allem permanenten Nörgeln und Jammern über die heimischen Zu- und Missstände dann doch – und immer noch – beleidigt über das Ausmaß an Ignoranz und Undank seitens des berühmten Sohnes.

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Herr Goethe nimmt ein Bad

Goethes Sturm-und-Drang-Periode endet recht plötzlich Mitte Juni 1775, während seiner ersten Reise durch die Schweiz.

In den beiden Jahren zuvor ist der Dichter durch die Veröffentlichung des Götz von Berlichingen und des Werther berühmt geworden: Beide Werke haben begeisterte Anhängerinnen und Anhänger: Wer sich für den Götz von Berlichingen begeistert, bevorzugt in der Regel das lärmende Rowdytum in freier Natur, während die die eher empfindsamen Werther-Verehrerinnen und -Verehrer in aller Stille den Selbstmord erwägen. Die jungen Stolberg-Brüder, Christian und Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg, gehören als Reichsgrafen der alten, tatkräftigen Schule eindeutig in die erste Kategorie und laden Goethe im Sommer 1775 zu einer Schweiz-Reise ein.

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Hessisches Kulturgut – Das Frankfurter Kreuz

Das Kreuz mit der Vorfahrt

Von Verkehrsregeln hielt man in Hessen immer wenig. Zur Zeit der Pferdefuhrwerke, Kutschen und Handkarren wurden Vorfahrt, Geschwindigkeit und andere offene Fragen stets vor Ort und verbal geklärt, wozu dem Einheimischen ein blumiges Potpourri an Beschimpfungen, Beleidigungen und üblen Nachreden zur Verfügung stand.

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Musik und Utopie in Frankfurt

Die Ausstellung Musik im Leben der Völker 1927

Im Sommer 1927 konnte man in Frankfurt für ein paar Wochen den Eindruck gewinnen, in der Weltgeschichte würde sich nun doch alles zum Guten wenden. In der Festhalle wurde nichts weniger als eine bevorstehende neue, moderne und bessere Zeit beschworen, in der die Völker der Welt friedlich und im Geiste gegenseitigen Verständnisses zusammenleben. Das war umso bemerkenswerter, als gleichzeitig andere Zeitgenossen lautstark die Überlegenheit der eigenen Nation postulierten.

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Der Hirscheber

Zum 160. Geburtstag des Frankfurter Zoos
… und ein Plädoyer für die Wiederanschaffung eines Babirusas

Ein Hirscheber ist … nein, nicht das was man sich vorstellt. Geweihe im üblichen Sinn spielen eindeutig keine Rolle. Lange Beine schon eher, aber auch das ist relativ – für ein Schwein sind die Beine eindeutig lang, für einen Hirsch wären sie lächerlich kurz. Egal, die Ähnlichkeit mit einem Hirsch erschließt sich nicht wirklich, zumal ein Hirsch üblicherweise nicht über lange obere Eckzähne verfügt, die die Rüsseldecke durchstoßen, und dann, da die Zähne sich nach hin­ten biegen, sehr unpraktisch wie­der in die Rüsseldecke und damit in das Tier zurück wachsen. Man muss es vermutlich gesehen haben.

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